(Kein) Schwein mit Bein

Weisst du, was ich an der Vorweihnachtszeit schrecklich finde? Geschenkkörbe. Du weisst schon, diese meist in Zellophanpapier eingepackten Weidenkörbchen oder Holzkisten mit Lebensmitteln darin. Die Produkte sind hübsch angeordnet (oftmals noch mit Papier unterlegt, damit es nach mehr aussieht) und von unterschiedlicher Art: Da gibt es haltbare Sachen wie Senf, Kaffeebohnen oder Wein, die eine längere Strommangellage überstehen würden, ebenso wie frisches Obst und Gemüse. Alles in Ordnung, finde ich. Auch wenn man die meisten Sachen nicht wirklich gebrauchen kann.

Am schlimmsten jedoch finde ich Tierfüssen. Also ich meine Schweinefüsse. Letztes Jahr hat mein Mann einen Präsentkorb mit einem riesigen Schinken inklusive Knochen geschenkt bekommen. Sogar die Klausen, also diese kleinen Hufe waren noch dran. Mein Mann jedenfalls war hocherfreut. Er liebt geräuchertes Fleisch. Ich sage dazu grundsätzlich auch nicht nein. Das Problem jedoch war: Der Schinken, also das Bein, war riesig. Und deshalb konnten wir es weder im Kühlschrank unterbringen, geschweige denn es innerhalb von wenigen Tagen essen. Was also tun? Wir entschieden uns, das Bein im Vorratsraum zu lagern, der zugleich als Waschraum dient. Ab und an schnitten wir ein paar Scheiben ab, dann wickelten wir das Bein wieder in Klarsichtfolie ein.

Wir bemerkten die Fliegen erst, als es schon zu spät war. Die schillernden Insekten hatten sich bereits erfolgreich vermehrt und das Fleisch zur Eiablage auserwählt. Innerhalb von wenigen Tagen summte und brummte es in unserer ganzen Wohnung, nicht nur im Vorratsraum. Der Schinken flog also raus, mitsamt dem Schmeissfliegen-Nachwuchs. Mein Mann verdrückte ein paar Tränen, es sei also wirklich schade um das gute Fleisch. Ich reinigte die Waschküche und die ganze Wohnung, was mich mehrere Tage beschäftigte. Noch wochenlang zuckte ich beim kleinsten Brummen zusammen. Fleisch rührte ich bis Weihnachten nicht mehr an.

Sobald es wieder wärmer wurde, verdrängte ich das Erlebnis erfolgreich. Bis die Sonne sich täglich ein wenig mehr verabschiedete, die Tage wieder zunehmend grau und dunkel wurden. Und mit Beginn des Dezembers der erste Geschenkkorb auf meinem Schreibtisch stand, als ich nach einem Auswärtstermin ins Büro zurück kam. Vorsichtig spähte ich in die Papiertüte (immerhin kein Korb!). Drei Flaschen Rotwein von einem regionalen Winzer. Ich atmete aus und liess mich erschöpft in meinem Drehstuhl fallen.

Doch wenige Tage später war die Gnadenfrist vorbei. Mein Mann trug schwer atmend einen vollgepackten Korb in die Wohnung. Darin: ein Schinken. Mit Hufen! Ich blieb vor Entsetzen zunächst stumm. Schliesslich fragte ich: "Kannst du das Bein nicht verschenken? Ich will auf keinen Fall wieder drei Tage lang putzen!"

Mein Mann versuchte, mich zu beruhigen, er werde sich darum kümmern. Das tat er dann auch. Aber nicht so, wie ich es gerne wollte. Das Bein lag schliesslich, in mehrere Tüten verpackt, wieder im Vorratsraum. Ich beschwerte mich jedes Mal, wenn ich den Raum betrat und hielt Ausschau nach schillernden Mitbewohnern.

Ob sich welche zeigten, weiss ich nicht. Ich bin mittlerweile zu meiner Mutter gezogen. Vorrübergehend natürlich. Sie ist pensioniert und bekommt keine Geschenkkörbe mehr. Mein Mann will, dass ich wieder zurückkomme und hat deshalb vorgeschlagen, einen grossen Kühlschrank für unsere Waschküche anzuschaffen. Ich bin dagegen. Entweder das Schweinebein oder ich, habe ich ihm geantwortet. Sein Versöhnungsgeschenk (ein Korb mit verschiedenen Bio-Tees und Kandiszucker) schickte ich postwendend zurück. Zu Weihnachten habe ich nur einen Wunsch: Ein Pullover mit dem Aufdruck: Ich hasse Geschenkkörbe! Diesen werde ich fortan tragen, sobald sich die gefährliche Zeit nähert. Also so ab Mitte November. Nach Hause gehe ich erst wieder, wenn das Bein weg ist. Also der Schinken, meine ich. Mein Mann hat sich noch nicht dazu geäussert. Ob er das Bein mehr liebt als mich? Ich frage besser nicht nach.

05/12/2022

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