Als er den Apparat sah, beschleunigte sich sein Puls. Eine Liege, darunter ein grosser Kasten. Über der Liege schwebte ein weiterer Kasten. Dazwischen etwa 40 Zentimeter. Wenn er darauf läge, wären oberhalb seines Kopfes etwa noch 20 Zentimeter Luft. Nach vorne, hinten und auf die Vorderseite war der Apparat zwar nicht geschlossen, aber viel Platz war da nicht. Das sollte ein offenes Kernspintomographiegerät sein?
Er hatte mehrfach betont, dass er sich nur in ein offenes Gerät legen würde, um Schicht für Schicht Bilder von seiner Wirbelsäule zu erhalten. Um auf diesen vielleicht zu erkennen, woher der ständige Schmerz kam. Selbst im Liegen zwickte es ihn inzwischen in der Lendenwirbelsäule; er hatte angefangen, im Sitzen zu schlafen, wobei ihm aber ständig die Beine einschliefen. Sein Hausarzt meinte, er käme nicht um ein MRI herum. Und hier war er nun. Er und seine Platzangst. Sie begleitete ihn wie ein guter Freund. Gerade legte sie ihre Hand auf seine Schulter und flüsterte ihm ins Ohr. "Viel zu eng. Das kannst du vergessen." Dann streichelte sie ihm über den Kopf und machte "Ts, ts."
Er schüttelte sich. Dann realisierte er, dass jemand mit ihm sprach. "Herr Konrad, Sie müssen nur Ihre Schuhe ausziehen und Platz nehmen. Der Kopf kommt hierhin." Eine mittelalte Frau mit einem grossen Muttermal über dem rechten Mundwinkel deutete auf ein Kissen, das mit der Liege zu verschmelzen schien. Es war cremeweiss, so wie der ganze Apparat. Auf zwei Displays blinkten munter rote und grüne Lichter.
Aus dem Muttermal wuchsen zwei schwarze Haare, wie er bei genauerem Hinsehen feststellte. Er starrte die Frau an, dann griff er sich an seine Ohrläppchen und massierte diese. "Herr Konrad?" Die Tonlage war höher geworden, stellte er fest, während er die Augen geschlossen hielt und weiter seine Ohren knetete.
"Ist das da, was sie unter einem offenen Gerät verstehen?", fragte er die Frau, die Arme hatte er verschränkt. Drei Sekunden lang passierte nichts. "Ich bin keine Spezialisten, aber ich denke ja", erwiderte die Frau im blauweissen Kittel. Ihr Tonfall war nun schrill, rote Flecken zeigten sich oberhalb des Muttermals.
"Ich habe starke Platzangst und deshalb um ein offenes Gerät gebeten." Der Mann zeigte auf den Apparat. "Hier lege ich mich nicht rein." Die Frau öffnete den Mund, schloss ihn dann langsam wieder. Wie ein Fisch, dachte er. Blub blub.
Später wusste er nicht mehr genau, wie sie es geschafft hatte, ihn auf die Liege zu bugsieren. Beruhigungsmittel? Engelszungen? Gewalt? Als er zu sich kam, ratterte und rumorte die Maschine. Der Deckel über ihm schien immer näher zu kommen und er wollte mit seinen Fäusten und Knien dagegen drücken, doch seine Arme und Beine waren gefesselt. Eine Manschette um seinen Hals hielt ihn fest im Griff. Er schrie. Brüllte. Eine Ader platzte in seinen Augen.
"Markus, was ist los?" Danielas Augen waren rund, der Träger ihres Nachthemdes verrutscht, die Haare fielen ihr in die Augen. Ohne schwarze Umrandung und Lidschatten erinnerten sie ihn an einen Nacktmulch. Daniela packte ihn am Arm und drückte zu, so als wollte sie ihn festhalten. "Hast du wieder schlecht geträumt?"
"Ich war bei der Magnetresonanz und da war so wenig Platz..." Er fühlte die kalten Schweissperlen auf seiner Stirn. "Und die Pflegerin hatte ein Muttermal...." Er liess sich in sein Kopfkissen sinken, das ihm unangenehm am Nacken klebte. "... so wie du." Er drehte den Kopf nach rechts und blickte seiner Frau ins Gesicht. Suchte das Muttermal, fand die zwei schwarzen Haare, die ihn an Drahtborsten erinnerten.
"Ach ja?" Ihre Lippen kräuselten sich, so dass der Leberfleck die Umrisse von Afrika annahm. "Na dann, schlaf gut." Sie drehte ihm den Rücken zu, löschte das Licht und begann schon bald, regelmässig zu atmen.
Er wechselte sein T-Shirt, drehte das Kopfkissen um und versuchte ebenfalls, in den Schlaf zu finden. Schliesslich nahm er eine Tablette, die seine Glieder schwer werden und das Pochen in seinem unteren Rücken zu einem sanften Klopfen werden liess. Niemals würde er in die Röhre gehen, niemals! Er würde den Termin absagen, auch wenn Daniela toben würde. Von wegen offenes Gerät, das war doch alles Blödsinn. Es würde auch ohne gehen, irgendwie. Er hörte Daniela grunzend Luft holen. Sie schlief. Wie ein afrikanischer Nacktmull. Mit zwei Borsten.