Unendliche Weiten

Der Weltraum hat mich schon als Kind fasziniert. Die Vorstellung, dass unsere Erde nur ein Staubkorn im Universum ist, finde ich unglaublich. Wenn ich mir Fotos von Weltraumteleskopen ansehe, staune ich über den Detailreichtum: Hier eine Spiralgalaxie, dort ein Nebel mit Millionen von Sternen. Es blitzt und funkelt und ist unendlich. Ich versuche dann immer, mich wie bei Google Earth in die dunklen Weiten des Alls hineinzuzoomen, weg von unserem blauen Planeten, vorbei an Pluto aus unserem Sonnensystem hinaus in die Schwärze des Alls, die Milchstrasse verlassend, um dann festzustellen, dass alles schier endlos ist und sich weiterhin ausdehnt. Spätestens an diesem Punkt wird mir leicht schwindelig und meine Vorstellungskraft versagt. Knapp 14 Milliarden Jahre soll das Weltall alt sein, glaubt man heute. Mit modernen Teleskopen kann man das Licht von 13,5 Milliarden alten Sternen einfangen - Wahnsinn!

Als Teenagerin lieh ich mir von einem Freund meines Vaters ein Teleskop. Es war kein grossartiges Ding, doch man konnte damit immerhin die Ringe des Saturns erkennen und die grossen Jupitermonde. Auch Uranus fand ich nach einigem Suchen. Ich lernte die Sternbilder am Nachthimmel kennen und hielt während längerer Zeit nach dem flinken Götterboten Merkur Ausschau, den ich aber aufgrund seiner Nähe zur Sonne nie erspähte. Wenn "Physik" nicht im Wort Astrophysik vorkommen würde, wäre mein Studiumswunsch klar gewesen. So aber blieb es bei Hobbybeobachtungen.

Heute habe ich selten Gelegenheit, den Nachthimmel zu beobachten. Abends bin ich müde oder scheue den Aufwand, einen lichtarmen Ort aufzusuchen, um den Kopf in den Nacken zu legen. Die Erde dreht sich gleichmässig um sich selbst und rast durchs Weltall, brav ihrer Umlaufbahn um die Sonne folgend, egal, was in meinem Mikrokosmos passiert. Aufmerksam verfolge ich dennoch die Berichterstattung zu den Exoplaneten, die jüngst entdeckt wurden. Die Frage, ob es irgendwo da draussen fremdes Leben gibt, ist eine grosse; ihre Beantwortung wird nicht alles ändern, aber vieles. Manchmal stelle ich mir vor, dass es Millionen von Lichtjahren entfernt einen erdähnlichen Planeten gibt, auf dem Wesen leben, die sich fortpflanzen, im Rhythmus der Sonne aufstehen und zu Bett gehen, die Dinge erfinden, sich bekriegen und irgendwann sterben. Vielleicht wäre es aber auch ganz anders? Ich glaube, unsere Vorstellungskraft ist begrenzt. Der Mensch kennt nur, was er weiss und weiss nur, was er kennt. Vielleicht liege ich aber auch damit falsch.

Mir hilft es auf jeden Fall, den Fokus geradezurichten und Abstand zu finden, wenn ich mich hinaus in unendliche Weiten beame und mir vorstelle, wie Gase schwarze Löcher umkreisen und schliesslich darin verschwinden. Was ist wirklich wichtig? Wie wichtig bin ich? Das Weltall lehrt mich Demut. Ich sollte wieder öfter zu nachtschlafender Zeit einen Blick zum Firmament werfen. Das Sommerdreieck suchen und mir vorstellen, wie die Erde mit rund 30 Kilometern pro Sekunde durchs All rauscht. Das relativiert vieles,

24/06/2024

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