"Sag mal, gehst du zum Frauenstreik? Die machen da wieder eine grosse Sache. Mathilda und Verena gehen, sie haben mich gefragt, ob ich mitkomme, aber ich weiss nicht so recht..."
"Zu der Demo auf dem Bundesplatz? Sicher nicht."
"Warum? Bist du nicht für Gleichberechtigung?"
"Doch, klar, bin ich das. Vor allem, wenn es um Löhne und Care Arbeit geht. Ich habe aber erstens am Freitag einen Termin und zweitens nicht das Bedürfnis, mich in die lilafarbene Menge mit gehäkelten Vulven auf dem Kopf einzureihen."
"Was, auf dem Kopf? Ernsthaft? Das klingt ja abscheulich! Ich kann drum eigentlich auch nicht; wir erwarten Handwerker und jemand sollte zu Hause sein."
"Den Termin kannst du doch verschieben. Oder Matthias bleibt zu Hause. Der kann doch easy Home Office machen."
"Ja, ja, stimmt schon. Die Internetverbindung bei uns ist immer noch zu schlecht, sagt er. Oder zu instabil. Er arbeitet nicht gerne vom Arbeitszimmer aus. Da fällt mir ein, am Freitag muss ich noch zum Bäcker, das Catering für seinen 45. Geburtstag besprechen. Es soll doch eine Überraschung werden."
"Auch das müsstest du nicht am Freitag machen. Deine Entscheidung. Grundsätzlich ist der Streik eine gute Sache. Jede Frau zählt!"
"Wieso gehst du dann nicht?"
"Eben, ich habe einen beruflichen Termin. Eine wichtige Sache für mich. Den kann ich schlecht verschieben."
"Und wenn du den Termin nicht hättest, würdest du gehen?"
"Wahrscheinlich nicht."
"Hä? Verstehe ich jetzt nicht."
"Ich bin nicht so der Streik-Typ. Und Massenveranstaltungen kann ich nicht leiden. Da laufen sie einander wie Schafe nach und blöken im Takt. Nicht mein Ding."
"Aber es geht doch um eine gute Sache!"
"Ich bin eben passive Unterstützerin."
"Na ja, das hilft der Sache nicht wirklich..."
"Okay, pass auf. Wir treffen uns am Abend im Pub und machen da unseren individuellen Frauenstreik. Was meinst du?"
"Klingt gut. Ich muss noch schauen, was Matthias vorhat. Du hörst von mir. Bis später!"